„Das Datum steht. Punkt.“
Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? Vielleicht haben Sie selbst schon in einer Projektbesprechung gesessen, in der alle auf dasselbe Datum starren – den Tag, an dem Ihr neues ERP-System live gehen soll. Alles ist darauf ausgerichtet: Ressourcen, Budgets, interne Kommunikation. Aber was, wenn die Ampeln auf Rot stehen, der Kalender aber unaufhaltsam weitertickt? Ist Verschieben wirklich keine Option?
In Transformationsprojekten wie der Migration zu SAP S/4HANA ist Flexibilität der Schlüssel – auch wenn es sich im ersten Moment falsch anfühlt. Ein Go-Live um jeden Preis kann mehr zerstören als sichern. Warum das so ist? Weil eine S/4HANA-Transformation eben kein klassisches IT-Projekt ist, sondern ein tiefgreifender Veränderungsprozess, der weit über die technische Implementierung hinausgeht.
Der Druck hinter dem Go-Live- und warum er trügt
Die Gründe für den Fokus auf einen fixen Termin sind nachvollziehbar:
- Kosteneinsparungen
- Effizienzsteigerungen
- Die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben
Aber: Wenn dieser Fokus zu starr wird, wird aus einem Projektplan schnell ein Risiko. Denn S/4HANA-Einführungen sind komplex – und diese Komplexität lässt sich selten in einen starren Zeitrahmen zwängen, ohne dass es zu Lasten der Qualität geht.
Fragen Sie sich selbst: Sind wir wirklich bereit? Oder sind wir dabei, eine Deadline wichtiger zu nehmen als den Erfolg des gesamten Vorhabens?
S/4HANA ist kein Upgrade – es ist ein Paradigmenwechsel
Die Einführung von SAP S/4HANA ist kein gewöhnliches Update, sondern bedeutet den Wechsel in eine völlig neue Systemwelt:
- In-Memory-Computing
- Echtzeitdatenverarbeitung
- Modularere Prozesse
Das bringt Chancen, aber auch Herausforderungen. Datenmigration, die Integration alter Systeme (Legacy-IT), neue Prozessmodelle und nicht zuletzt die Schulung Ihrer Mitarbeitenden: All das muss reibungslos funktionieren, bevor Sie live gehen.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut einer Studie von Panorama Consulting scheitern 50–60 % aller ERP-Projekte an unrealistischen Zeitplänen und fehlender Vorbereitung.
Was passiert, wenn man an starren Deadlines festhält
Ein zu ambitioniertes Go-Live-Datum kann schwerwiegende Folgen haben:
1.Technische Schulden
Wenn kurzfristige Lösungen herhalten müssen, entstehen Workarounds, die später aufwendig und teuer korrigiert werden müssen.
2. Mitarbeiterüberlastung
Enge Zeitpläne setzen die Teams unter Druck. Die Folge: Burnout, Frust und Widerstände gegen den Wandel.
3. Finanzielle Schäden
Ein gescheiterter Go-Live kostet am Ende oft mehr als eine gut begründete Verschiebung. Produktionsausfälle, Reputationsverluste und Nacharbeiten schlagen direkt aufs Budget durch.
Lehren aus der Praxis – wenn der Go-Live nach hinten losgeht
Die Liste prominenter Beispiele ist lang:
Lidl: Nach sieben Jahren Projektlaufzeit und einer Investition von rund 500 Millionen Euro brach das Unternehmen die SAP-Einführung 2018 ab. Die Prozesse passten schlicht nicht zu den Anforderungen.
Haribo: Ein übereilter Go-Live führte zu massiven Lieferengpässen. Die Komplexität der Logistik war unterschätzt worden – mit spürbaren Auswirkungen im Handel.
Agilität statt Starrheit: Diese Ansätze helfen
Wer flexibel plant, bleibt handlungsfähig. Diese drei Hebel sollten Sie kennen:
- Phasenweise Einführung
Testen Sie zunächst kritische Module im Pilotbetrieb. Ein gestaffelter Rollout minimiert Risiken und sorgt für erste Erfolgserlebnisse. - Agile Methoden
Arbeiten Sie iterativ. So können Teams Feedback schneller verarbeiten und das System bedarfsgerecht weiterentwickeln. - Continuous Improvement
Eine Transformation endet nicht mit dem Go-Live. Planen Sie von Anfang an feste Phasen zur Optimierung nach dem Livegang ein.
Das Top-Management muss umdenken: Es braucht einen Kulturwandel
Veränderung gelingt nicht mit einer Alles-oder-nichts-Mentalität. Projektziele zu überprüfen, Meilensteine anzupassen oder Termine zu verschieben, ist kein Scheitern – es ist Ausdruck von Verantwortung. Wer stur auf das einmal gesteckte Zieldatum besteht, läuft Gefahr, dem sogenannten „Sunk Cost Fallacy“ zu erliegen: Bereits getätigte Investitionen rechtfertigen nicht, weitere Fehler zu machen.
Flexibilität als strategischer Vorteil
Ein erfolgreicher Go-Live ist kein Sprint, sondern Teil einer Reise. Oder, wie es Thomas Saueressig, SAP-Vorstand, treffend formuliert: „Transformation ist eine Reise, kein Sprint.“
Unternehmen, die Qualität vor Geschwindigkeit stellen, sichern sich nachhaltige Erfolge. Wer die Fähigkeit besitzt, Entscheidungen zu revidieren und den Kurs zu korrigieren, wenn es notwendig ist, wird langfristig erfolgreicher sein.
Fragen Sie sich: Wollen wir das Datum einhalten – oder wollen wir die Transformation erfolgreich abschließen?
Unser Fazit: Manchmal ist das mutigste Handeln, einen Termin zu verschieben
Eine Verschiebung des Go-Live-Termins kann der entscheidende Schritt sein, um das große Ganze nicht zu gefährden. Entscheidend ist nicht das Datum im Kalender, sondern der nachhaltige Erfolg der Transformation.
Sie möchten prüfen, wie belastbar Ihr aktueller Projektplan wirklich ist? Oder ob ein flexiblerer Ansatz Ihrer S/4HANA-Transformation neuen Schwung geben kann? Sprechen Sie mit uns. Gemeinsam entwickeln wir eine realistische Planung – oder justieren dort nach, wo es notwendig ist.